Rückblick Zukunft Bau Kongress 2021 – BAUWENDE: klimabewusst erhalten, erneuern, bauen

Welchen Beitrag kann die Bauwelt zu den Herausforderungen des Klimawandels leisten und wie kann die Bauwende gestaltet werden? Welche Handlungsräume sind relevant, und welche Positionen zum Umgang mit Ressourcen, Bestand und Neubau sind in diesem Zusammenhang wichtig?

Der Zukunft Bau Kongress 2021 am 18. und 19. November beschäftigte sich mit nichts Geringerem als der Bauwende. Mit spannenden Reflexionen, Visionen und Bauwerken öffneten die Referenten neue Denk – und Lösungsräume zu diesem Thema. Im ehemaligen Bonner Plenarsaal des Deutschen Bundestages luden das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein, gemeinsam mit hochkarätigen Podien diesen Fragen nachzugehen und neue Lösungsansätze zu diskutieren. Pandemiebedingt wurde der Zukunft Bau Kongress als Livestream durchgeführt. Über 3.500 Zugriffe und eine Vielzahl von Zuschauerfragen zeigten das rege Interesse am fachlichen Austausch.

Nach der Begrüßung der gastgebenden Institutionen hielt Prof. Armin Nassehi (Ludwig­ Maximilians­ Universität München) eine Keynote zum Medium der Veränderung. Wie überwindet man die für Veränderungen hinderliche Trägheit des Systems? Indem man ungewöhnliche Verbindungen eingeht, Muster aufbricht und neue Lösungen erzeugt. Im Anschluss an diesen übergeordneten Impuls wurden im ersten Themenblock zukünftige Handlungsräume diskutiert. Prof. Hans Joachim Schellnhuber plädierte für eine radikale Bauwende, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Mit organischen Materialien und regenerativer Architektur zeigte er Wege auf, um sich aus der Klimakrise herausbauen. Dass die Herausforderungen des Klimawandels vor dem Hintergrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums und der fortschreitenden Urbanisierung nur im globalen Zusammenschluss zu bewältigen sind, führte Prof. Estelle Herlyn (FOM Hochschule für Oekonomie und Management Düsseldorf) aus. Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, stellte die Planung als einen wichtigen Handlungsraum dar. Diese muss den Umgang mit dem Bestand in den Fokus rücken, idealerweise über eine UmBauordnung zu einer UmBaukultur. Der Themenblock wurde abgerundet durch das Fazit von Prof. Thomas Auer (TU München). Er begreift das Bauen als Chance, um Komfortanforderungen zu überdenken und sektorale Grenzen zu überwinden.

Im zweiten Themenblock lag der Fokus auf dem Umgang mit knapper werdenden Ressourcen, Bestand und Neubau. Dass jeder Neubau sich heute an den Klimaschutzvorgaben für das Jahr 2045 messen lassen muss, ist für Prof. Annette Hafner (Ruhr-Universität Bochum) der Maßstab. Auch Elisabeth Broermann (Architects for Future) sieht in der Nachhaltigkeit beim Bauen und Betreiben von Gebäuden keinen gut gemeinten Zusatz, sondern einen grundlegenden Standard. Für Kerstin Müller (baubüro in situ) liegt das Potenzial für ein ressourcenschonendes Weiterbauen im Bestehenden. Mensch, Raum und Umwelt wieder in Einklang zu bringen, dafür plädierte Prof. Martin Haas (haascookzemmrich STUDIO2050). Die Beziehung zwischen Mensch und Architektur ist ein wesentlicher Faktor für Nachhaltigkeit. Mit seinem Abendvortrag schlug Prof. Harald Welzer (Futurzwei. Stiftung Zukunftsfähigkeit) den Bogen zur Keynote von Prof. Armin Nassehi. Während Nassehi die Trägheit des Systems anprangert, sieht Welzer die entscheidende Kraft für die notwendige Transformation in der sozialen Intelligenz. Die Dringlichkeit einer Transformation begründete er damit, dass der Klimawandel als Gegenwartsproblem zu betrachten ist, das sich nicht durch ambitionierte Zielsetzungen in die Zukunft verschieben lässt.

Am zweiten Kongresstag plädierte Dr. Robert Kaltenbrunner (BBSR) für eine neue Mentalität beim Bauen, im Sinne einer reflektierten, ganzheitlichen Sichtweise auf Bestehendes und Neues. Thomas Rau (RAU Architects) schloss sich mit der Forderung an: „Wir brauchen keine Bauwende, sondern eine systemische Kehrtwende.“ In seiner Vision einer Bauwende geht es ihm nicht darum, die Welt neu zu denken, sondern Neues zu denken. Dazu gehört die Entkopplung des ökonomischen Wachstums von der Vernichtung von Rohstoffen und der Natur, ebenso wie der Blick auf jedes gebaute Objekt als Materiallager. Anschließend wurde der fachliche Austausch in vier parallelen Zukunftsforen weitergeführt. Zu Rahmenbedingungen für mehr Klima-und Ressourcenschutz, Handlungsansätzen für eine Bauwende, Potenzialen aus der Forschung für eine neue Praxis sowie der Initiative des Neuen Europäischen Bauhauses gab es fachliche Vorträge und Diskussionen. „To build or not to build. Ist Erhalt der neue Abriss?“ Mit dieser provokanten Frage schloss Prof. Matthias Sauerbruch (Sauerbruch Hutton) das Rahmenprogramm des zweiten Kongresstages. Sein Plädoyer rief auf zu mehr Unabhängigkeit im Denken, Mut und Freude an der Architektur.

Der Zukunft Bau Kongress zeigte eine große thematische Bandbreite auf, die beispielhaft für die Komplexität der Bauwelt ist. Breiter Konsens bestand in dem Wunsch nach der Bauwende und entsprechenden baupolitischen Akzenten. Um die Themen des Zukunft Bau Kongresses in die weitere Fachwelt zu tragen, wird im Frühjahr 2022 eine entsprechende Publikation erscheinen.